WAHL

2O 2

 


20. 09. 2002

Von wegen "Politikverdrossenheit"! Als gäbe es etwas umsonst, stürmten die Schüler der Sebastianschule die Wahllokale. Lange Schlangen bildeten sich vor den Tischen der Wahlhelfer, die akribisch kontrollierten, ob denn derjenige, der sein Votum abgeben wollte, überhaupt wahlberechtigt war. Bei der ersten Wahl zum Schülerparlament ging beinahe alles so zu, wie es die Bundeswahlordnung auch für morgen vorgibt.

Seit rund zehn Tagen tobte der Wahlkampf in der Schule. 15 Parteien (siehe Stimmzettel unten) buhlten um die Gunst der Wählerschaft - stimmberechtigt waren die Schüler der dritten und vierten Klassen. Der Startpunkt für die gestrige Wahl war der Arbeitsauftrag für ein fächerübergreifendes Projekt. Das Ziel war es, ein Schülerparlament zu gründen, das künftig bei Verhandlungen mit den Lehrern alle Kinder vertreten soll. Und dafür braucht es natürlich Abgeordnete - Parteimitglieder, die sich der Konkurrenz stellen und auf Stimmenjagd gehen müssen. Unzählige selbstgestaltete Wahlplakate zeugten auch noch kurz vor dem Urnengang von diesem "schulpolitischen" Unterfangen. An Botschaften mangelte es nicht: "Ich bin für weniger Hausaufgaben und für Englisch in der vierten Klasse,", brachte es beispielsweise Lena Strothmann aus der 4a in ihrer Wahlrede im vollbesetzten Foyer der Schule auf den Punkt. Die "Kanzlerkandidatin" der "Raesfelder Kartclub Partei" gab zu: "Am Anfang war ich etwas aufgeregt, aber dann ging's."

Frenetischer Beifall, Pfiffe oder Buh-Rufe... Die Reaktionen des "gemeinen" Wahlvolkes auf die Reden der Spitzenkandidaten waren so vielfältig wie die Programme und Wahlversprechen der Parteien selbst. Ob die "Tolle-Sachen-Machen"-Partei oder die Gruppierung "Schlaue Schüler", ob "Kinder an die Macht", die "Westdeutsche Schülerpartei" oder die vielen anderen - die Viertklässler lockten sowohl mit harten Forderungen ("für sauberere Toiletten" oder "gegen Langeweile in der Pause") als auch mit Versprechungen ("Wir helfen Euch in der Schule.").

"Einige Parteien haben sogar vorher ein Schattenkabinett aufgestellt", erklärte Oberwahlleiter Manfred Grömping. Ganz klar: Der Umweltminister kümmert sich um den Papierkorb in der Klasse, der Außenminister um die guten Beziehungen zu den anderen Klassen. Selbst ein Verteidigungsminister war dabei...

Die Wahlhelfer kamen gestern ganz schön ins Schwitzen. Kein Wunder - bei einer Wahlbeteiligung von 95,2 Prozent. Nach der mit Spannung erwarteten Auszählung zeigte sich vor allem eins: Die "Raesfelder Streber Partei" - angetreten mit Forderungen, die auch den fleißigsten Schüler unweigerlich an den Rand der Anarchie treiben musste - bekam nicht eine Stimme. Sie war auch die einzige Partei, für die sich kein Spitzenkandidat fand.

Das vorläufige amtliche Endergebnis: Magdalena Deelmann, Sonja Brinkmann, Christina Löchteken, Lena Strothmann und Hendrik Klaus ziehen als Direktkandidaten ins Schülerparlament ein. "RKF" und "SCK" treten nächste Woche in Koalitionsverhandlungen ein, meldet der Oberwahlleiter.

 

 
     
 
     
 
     
 
     
     
 
     
 
     

 


20.09.2002

Disco statt Regenpause

"Ihr kennt bestimmt die Regenpause. Ich finde, sie sollte spaßiger sein. Man könnte in der Pausenhalle einen CD-Player aufstellen. Und dann dürfen alle Schüler zum Tanzen kommen!! Die RFK macht aus der Regenpause eine Discopause!!"

Mit dieser und anderen einleuchtenden Forderungen überzeugte Kanzlerkandidatin Christina Löchteken (9) von der Partei RFK (Rechte für Kinder) das Wahlvolk. Ihre Mitschüler dachten ihr die meisten Stimmen unter den Direktkandidaten zu und wählten sie ins Schülerparlament.

Während es die Erwachsenen noch vor sich haben, brachten die Sebastianschüler schon am Freitag den Urnengang hinter sich. Zum ersten Mal wählten die dritten und vierten Klassen - und damit fast 200 Mädchen und Jungen ein Schülerparlament.

Zwei Wochen lang tobte der Wahlkampf. Plakate wurden gemalt, die Kandidaten feilten an ihren Reden. Schließlich trafen sich gestern alle zum großen Endkampf in der Pausenhalle. Vom Getöse der quicklebendigen Zuhörerschaft begleitet, hielten die 14 Direktkandidaten ihre Ansprachen - professionell ins Mikro.

Da kamen auch heikle Themen zur Sprache. Kandidatin Christina: "Ihr kennt ja alle unsere Toiletten hier in der Schule; die stinken total! Da kann keine Putzfrau mehr gegen an, also brauchen wir Brise one Touch für unsere Klos, damit das Klo nicht mehr stinkt!"

Aber insbesondere mit ihren Ideen für die Pausengestaltung konnte Christina Stimmen für sich gewinnen: "Viele Pausen sind total öde. Mit der Zeit werden sie langweilig. Dabei gibt es so viele schöne Spielgeräte: Frisbeescheiben, Bälle, Seilchen, Gummitwist und so weiter. Aber sie sind nicht da. Sie liegen zuhause, weil man sie vergessen hat. Das muss geändert werden. Wir wollen ausleihbare Spielgeräte für die Pausen, damit die Langeweile endlich ein Ende hat!!"

Der Saal tobte, und es half der KAM-Partei (Kinder an die Macht) nichts mehr, dass sie einen Grönemeyer-Song zum Programm erkoren hatte und ihn auch lauthals schmetterte. Christinas RFK-Partei und die SCK (Partei Super Coole Kids) machten unter den Parteien das Rennen. Aber leider mit je 21 Stimmen: Patt.

Und so müssen RFK und SCK in der nächsten Woche in die Koalitionsverhandlungen eintreten. Die KAM sitzt mit 18 Stimmen nicht mit am Verhandlungstisch und schon gar nicht die RSP "Raesfelder Streber Partei", die sich mit Forderungen wie "Härtere Strafen für Hausaufgaben-Vergesser" extrem unbeliebt gemacht hatte und - als Quittung - bei null Prozent landete.

15 Parteien waren angetreten, darunter die RRP (Richtige Raesfelder Partei), die SSP (Schlaue Schüler Partei) oder RKP (Raesfelder Kartclub Partei), aber keine wagte es, die Abschaffung des Hitzefrei zu propagieren wie die auf den allerletzten Platz verwiesene RSP.

Partei-Aktive hatten Wahlslogans ergrübelt, Kandidaten nach rechten Worten gesucht. Die Kinder wählten und zählten selbst die Stimmen aus. Kein Wunder, dass auch die Lehrer von dieser fächerübergreifenden Demokratieübung begeistert waren. Sie werden mit dem Schülerparlament, dem neben Christina noch vier weitere Kids angehören, über dessen Vorschläge diskutieren.

Am außerordentlich großen Interesse der Kids, die hier gar nicht schnell genug an ihre Stimmzettel kommen können, sollten sich die Erwachsenen ruhig ein Beispiel nehmen.

 


23.09.2002

Zwei Kanzlerinnen teilen sich den Job - im Schülerparlament

"Dass Schröder es jetzt macht, find´ ich ganz gut. Wenn Stoiber drangekommen wär´, wär´s aber auch nicht der Weltuntergang. Ich hab´s beiden gegönnt." Worte einer Kanzlerin an Polit-Kollegen.

Die neunjährige Rica Kapell weiß, wie es ist, einen Wahlkampf hinter sich zu bringen. Schließlich sprach auch sie vor großem Publikum. Und die Gummibärchen-Wahlgeschenke an die dritten Klassen haben eine Menge Taschengeld gekostet. Aber es hat sich rentiert: Rica holte in ihrer Raesfelder Sebastian-Grundschule mit ihrer Partei SCK (Super Coole Kids) 21 Stimmen.

Dabei kam das Ringen um die Stimmen fürs Schülerparlament der Welt der Großen sehr, sehr nah. Die Konkurrenzpartei RFK (Rechte für Kinder) hatte nach der brillanten Rede ihrer Spitzenkandidatin Christina Löchteken (9) exakt gleich viele Zweitstimmen. Also: Patt.

Doch die Koalition steht längst: "Wir haben zwei Kanzlerinnen, weil eine viel zu viel am Kopf hat."

Die beiden, die souverän 13 Parteien wie die RSP (Raesfelder Streber Partei), die RKP (Raesfelder Kartclub-Partei) oder die DKH (Deutsche Kinder handeln) hinter sich ließen, stehen für reine Demokratie großzügigen Formats. Inhalte rangieren ganz oben. Gemeinsame Ziele wie CD-Player für die Disco-Pause wollen sie umsetzen. Alles Unrealisierbare wurde gestrichen: längere Ferien genauso wie die Unterschutzstellung der Dackelwölfe.

 

Das vorläufige amtliche
Endergebnis gibt es hier.

 


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